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Wir sagen Ja zu Vielfalt und Toleranz

508 Nelken, die am 27. Januar am Mahnmal vor Haus 20 abgelegt wurden, erinnern an die Opfer nationalsozialistischer Ideologie. 508 Menschen wurden 1940/41 aus der Heil- und Pflegeanstalt Reichenau deportiert und ermordet. 508 Ermordete erinnern uns heute noch daran, dass solche Verbrechen nie wieder geschehen dürfen.

Sichtbares Zeichen dafür ist das Mahnmal, das der Konstanzer Bildhauer Alexander Gebauer 1988 auf dem Gelände des ZfP Reichenau geschaffen hat. Jedes Jahr findet dort ein Gedenkakt statt, an dem wir uns an die Menschen erinnern, die sterben mussten – weil sie vom Regime als „lebensunwertes Leben“ eingestuft und ihnen alle Rechte abgesprochen wurden. Das Gedenken an die Ermordeten ist verknüpft mit der Mahnung, „das Leben jedes Menschen zu achten und zu schützen.“ So ist sie als Inschrift in den Stein gemeißelt.

Dieses „Nie wieder“ ist es, das derzeit Hunderttausende in Deutschland auf die Straßen treibt. Wie sie, beziehen wir als ZfP Reichenau ganz klar Stellung gegen jede Form von Rechtsextremismus, Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Hass gegen Menschen, die nicht ins Weltbild von Ideologen passen.

„Wir sind ein diverses Unternehmen und leben Vielfalt. Bei uns am ZfP Reichenau arbeiten Menschen aus mehr als 50 verschiedenen Nationen ­­zusammen. Menschenwürde zu achten, Vorurteile abzubauen und psychische Krankheiten zu entstigmatisieren verstehen wir als unseren Kernauftrag“, sagt Dieter Grupp, Geschäftsführer des ZfP Reichenau. „Dafür arbeiten wir. Jeden Tag.“

 


Gedenktag an die Opfer des Nationalsozialismus 2024


Statt eines Kranzes legten die Teilnehmer:innen dieses Jahr erstmals 508 Nelken auf und vor die Steine des Mahnmals vor Haus 20. Einige nahmen dies zum Anlass, um einen Moment innezuhalten und an die Opfer und das Leid, das ihnen zugefügt wurde, zu denken.

 
 
Ruth Frenk bei der Lesung im Festsaal des ZfP Reichenau
 
 
 
Blumen am Mahnmal für die Opfer des Nationalsozialismus
 

Dem Gedenkakt schloss sich ein Vortrag von Ruth Frenk im Festsaal des ZfP Reichenau an. Die gebürtige Niederländerin ist die Tochter zweier Überlebender der Shoah. Sie wohnt seit fast 50 Jahren in Konstanz. Die Sängerin und Gesangspädagogin engagiert sich für die Erinnerungskultur und gegen Antisemitismus.

Ruth Frenk las aus ihrer Autobiographie „Bei uns war alles ganz normal“ vor. Der Titel bezieht sich auf eine Äußerung ihres Vaters, der erst mit über 80 Jahren angefangen hat, über seine Vergangenheit im KZ Bergen-Belsen zu sprechen.

Sie äußerte auch, dass sie keine Hoffnung habe, dass jüdisches Leben in Europa eine Zukunft habe. „Der 7. Oktober hat gezeigt, dass es wieder losgeht“, sagte sie mit Blick auf den Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel vor knapp vier Monaten. Dass Antisemitismus je aussterben werde oder erfolgreich bekämpft werden könne, bezweifle sie ebenfalls. Die Hoffnung der Sängerin ruht in der Bildung: „Bildungsarbeit ist die einzige Medizin gegen Antisemitismus in der nächsten Generation.“

Fotos: Freepik.com/ZfP Reichenau