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Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus

Im Januar 1996 proklamierte der damalige deutsche Bundespräsident Roman Herzog den Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch Sowjetische Truppen am 27.1.1945 zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, unter anderem mit den Worten: „Die Erinnerung darf nicht enden; sie muss auch künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedanken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“
2005 erklärten die Vereinten Nationen den 27. Januar zum internationalen Holocaustgedenktag. 2008 führte Dr. Norbert Lammert, der Präsident des Deutschen Bundestages, unter anderem hierzu aus: „Wir gedenken aller Opfer eines beispiellosen totalitären Regimes: Juden, Christen, Sinti und Roma, Menschen mit Behinderung, Homosexuellen, politisch Andersdenkenden sowie Männern und Frauen des Widerstandes, Wissenschaftlern, Künstlern, Journalisten, Kriegsgefangenen und Deserteuren, Greisen und Kindern an der Front, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern und der Millionen Menschen, die unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft entrechtet, verfolgt, gequält und ermordet wurden... Und wir bekennen zugleich unsere besondere Verantwortung im Kampf gegen Antisemitismus, Rassismus und Intoleranz.“

Seit vielen Jahren begeht das Zentrum für Psychiatrie (ZfP) Reichenau diesen Gedenktag mit öffentlichen Fachvorträgen aus Psychiatrie, Ethik und Justiz sowie mit einer Kranzniederlegung an unserem Mahnmal für die ermordeten Patientinnen und Patienten aus unserer psychiatrischen Klinik.

Die Veranstaltung findet im Hörsaal in Haus 20 statt.

Zur Person Werner Heyde
Werner Heyde, geboren 1902, studierte Medizin und begann im Sommer 1926 seine Universitäts-Karriere an der Psychiatrischen und Nervenklinik in Würzburg. Diese hatte einen Arbeitsschwerpunkt im Bereich der psychiatrischen Begutachtung, heute als Teilgebiet unter dem Begriff Forensische Psychiatrie bekannt. 1933 erstellte Heyde ein positives Gutachten über den mit Schutzhaftbefehl der Klinik zugewiesenen Theodor Eicke, so dass dieser kurze Zeit später Kommandeur des Konzentrationslagers Dachau werden und zum Inspekteur der Konzentrationslager und Chef der SS-Totenkopfverbände aufsteigen konnte. 1936 trat Heyde in die SS ein und bildete in ganz Deutschland KZ-Lagerärzte für die Selektion von Häftlingen für die Zwangssterilisationen aus. Gleichzeitig war er Oberarzt und Gutachter an der Würzburger Klinik und zudem Gutachter für die „Gestapo“ (Geheime Staatspolizei). Ab Sommer 1939 war Heyde an der Planung der mit dem Euphemismus „Euthanasie“ bezeichnete Krankenmorde beteiligt und zunächst alleiniger Obergutachter.Parallel dazu wurde er 1939 Direktor der Psychiatrischen und Nervenklinik Würzburg. Nach dem Umzug der Zentrale der Krankenmorde in die Tiergartenstr. 4 in Berlin wurde er im Sommer 1940 zum medizinischen Leiter der später sogenannten „Aktion-T4“. Ende 1941 wurde er in der Leitung abgelöst, wobei homosexuelle Aktivitäten Heydes Ende der 20er Jahre den Hintergrund bildeten. Er konnte aber bis 1945 weiter Direktor der auf sein Betreiben Universitätsnervenklinik genannten Klinik in Würzburg bleiben.
Nach dem Krieg wurde Heyde inhaftiert, konnte aber 1947 fliehen und untertauchen. Unter dem Namen „Dr. Fritz Sawade“ erstellte Heyde bis zu seiner erneuten Inhaftierung 1959 wieder zahlreiche Gutachten. Der 1964 geplante Strafprozess gegen Heyde, der wegen gemeinschaftlich mit Anderen begangenen Mordes in mindestens 100.000 Fällen angeklagt wurde, konnte nicht stattfinden, weil Heyde sich kurz vor Prozessbeginn suizidierte.

Zur Person Dr. med. Martin Krupinski
Professor Dr. med. Martin Krupinski, Jahrgang 1961, studierte von 1982-1989 Medizin an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er absolvierte danach von 1989-2001 eine Ausbildung zum Facharzt für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychoanalyse an der Universitätsnervenklinik München. Seit Oktober 2001 ist er Leiter der Abteilung für Forensische Psychiatrie am Universitätsklinikum Würzburg.
Die Forschungsinteressen liegen neben Kindesmisshandlung, insbesondere in Form des Münchhausen-by-proxy-Syndroms, und Qualitätssicherung bei psychiatrischen Gutachten auch auf medizinhistorischen Themen, zuletzt speziell auf der Verknüpfung individual- und gruppenpsychologischer Hintergründe von nationalsozialistischen Massenmorden.