Blick von einer Empore in einen bunt bestuhlten Festsaal mit Bühne.

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Bei der ISPS-Tagung dreht sich alles um Psychosen

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Bei der ISPS-Tagung dreht sich alles um Psychosen /

Der Psychiater Dag Söderström hält einen Vortrag bei der Tagung von ISPS-Germany im Festsaal des ZfP Reichenau.

Dag Söderström veranschaulicht sein Thema, den Umgang mit psychotischer Angst, mit Zeichnungen und Gemälden.

Schwerpunkte der Tagung, die von Klaus Hoffmann, dem ehemaligen Medizinischen Direktor der Klinik für Forensische Psychiatrie und Psychotherapie am ZfP Reichenau, und Uwe Herwig, dem Ärztlichen Direktor Psychiatrie und Psychotherapie des ZfP Reichenau, organisiert wurde, waren Psychosen-Psychotherapie, Soziotherapie der Psychosen, Gruppen-Psychotherapie und Ansätze aus der Psychodynamik. Insgesamt wurden etwa 80 Teilnehmende gezählt, erfreulich viele aus dem ZfP Reichenau und benachbarten Kliniken – auch einige Studierende der Universität Konstanz. 

Nach der Begrüßung machte der Schweizer Psychiater Dag Söderström den Auftakt. In seinem Vortrag „Psychotische Angst – Angst vor dem Weltuntergang?“ ging er der Frage nach, welche Bedeutung Ängste für Patient:innen mit Psychosen haben. „Sie sind ein globales Trauma für die Psyche“, stellte er fest. Die Welt breche zusammen und müsse anschließend möglichst gut wieder aufgebaut werden. 

Er schilderte den Fall einer Patientin, die in Panik einen Krankenwagen gerufen hatte, um sich in die Notaufnahme bringen zu lassen, aber nicht beschreiben konnte, warum sie Hilfe braucht. Gleichzeitig habe sie große Angst vor der Behandlung gehabt. Was sagt man in solch einer Situation zum Arzt? 

Angst vor der eigenen Vernichtung

Die psychotische Angst dreht sich meist um die eigene Vernichtung. „Das Ego löst sich auf“, sagte Söderström. Die Patienten klagen, dass in ihrem Inneren etwas kaputt geht, dass ihr Bauch verschwindet, dass ihre Haut zerreißt. „Die Vernichtungsangst wandelt sich schnell in paranoide Angst, die Person fühlt sich bedroht“, schilderte er. Rückzug sei die Folge.

Deshalb sei es eine wichtige Aufgabe des Gesundheitsteams, Vertrauen und schließlich auch respektvollen Druck aufzubauen, um den Patient:innen zu helfen. „Wir müssen dieser Angst begegnen“, sagte Söderström. Er rät dazu, sich die Angst innerhalb der therapeutischen Beziehung bewusst zu machen, denn sie kann zwischen Patient:in und Gesundheitsteam schnell übertragen werden. Gerade bei psychotischer Angst bestehe das Risiko eines Teufelskreises von Psychose und Trauma.

Weltuntergangsangst könne dank des psychotherapeutischen Ansatzes in eine andere Angst umgewandelt werden, sagte Söderström. „Psychotische Angst kann dann nicht zu einer Angst vor dem Ende der Welt werden, sondern eine Angst vor dem Ende einer Welt und damit dem Beginn einer anderen.“ 

Darum ging es in den Vorträgen

Das dreitägige Programm umfasste 18 Vorträge. Wielant Machleidt, emeritierter langjähriger Leiter der Abteilung Sozialpsychiatrie und Psychotherapie an der Medizinischen Hochschule Hannover, referierte beispielsweise über Psychosentherapie im transkulturellen Kontext, Iris Tatjana Graef-Calliess, Direktorin der psychiatrischen Klinik in Weissenau über sozialpsychiatrische und kulturpsychologische Überlegungen zur Therapie von Psychosen im Migrations- und Fluchtkontext.

Aus der Klinik für Allgemeinpsychiatrie im ZfP Reichenau diskutierten Michael Kammer-Spohn, Chefarzt, sowie Hannah Lienhard, Psychologische Psychotherapeutin, und Marissa Pecchinenda, Sozialarbeiterin, konkrete Fälle aus der hiesigen Akutstation. 

Uwe Herwig, Ärztlicher Direktor im ZfP Reichenau, führte in die Grundlagen der Behandlungen mit Psychedelika ein, die in der Schweiz deutlich häufiger eingesetzt werden darf als in Deutschland. Anna Becker und Daniela Mier vom Lehrstuhl für Klinische Psychologie der Universität Konstanz, der auch die Station 33 betreibt, schilderten Psychosentherapie aus Sicht der Verhaltenstherapie.

Unterschiedliche Perspektiven

Psychosen wurden außerdem aus der Sicht von Betroffenen (Jürgen Horn, Genesungsbegleiter ZfP Reichenau), Angehörigen (Barbara Wagenblast, Referat Angehörige in der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen) und Mitarbeitenden (Angela Häusling, Pflegedirektorin Psychiatrie und Psychotherapie ZfP Reichenau) beleuchtet. 

Die ISPS-Germany ist der deutsche Zweig der Internationalen Gesellschaft zur psychosozialen Behandlung chronisch psychotisch Kranker (früher: International Society for the Psychological Treatments of the Schizophrenias and Other Psychoses). Er wurde 1975 als Arbeitskreis gegründet. Seit 2011 ist Nicolas Nowack aus Hamburg / Salzwedel der Sprecher. Im ZfP Reichenau traf sich die ISPS-Germany zuvor bereits dreimal.