Blick von einer Empore in einen bunt bestuhlten Festsaal mit Bühne.

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So war unser Tag der offenen Tür

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So war unser Tag der offenen Tür /

Besucherinnen und Besucher sammeln sich am Tag der offenen Tür des ZfP Reichenau, weil sie an einer Führung teilnehmen möchten.

Erste Besucherinnen und Besucher sammeln sich beim Tag der offenen Tür des ZfP Reichenau vor Haus 1, um an einer Führung teilzunehmen.

Unter dem Motto „Was ist schon normal? Einblicke in die Psychiatrie“ hat das ZfP Reichenau ein umfangreiches Programm auf die Beine gestellt. Die Gäste konnten sich an Infoständen, bei Führungen, Vorträgen, Mitmachaktionen und einer Podiumsdiskussion mit vielfältigen Aspekten rund um die Themen psychische Erkrankungen und mentale Gesundheit beschäftigen.

Nach einem verhaltenen Start am verregneten Vormittag füllte sich das Gelände gegen Mittag, als die Sonne herauskam. Das Unterhaltungsprogramm, unter anderem mit Kinderschminken, Wahrsagerzelt und einer drei Mal aufgeführten Theaterperformance von Patienten des Maßregelvollzugs, kam gut an.

Rundgang durch die Klinik

Besonders gut sind die Führungen angenommen worden. Das Team der Klinik für Allgemeinpsychiatrie beispielsweise hat darauf spontan reagiert und zusätzliche Führungen angeboten. „Insgesamt haben wir 200 Leute durchs Haus 25 geführt“, sagt Chefarzt Michael Kammer-Spohn. 

Das Team zeigte bei dem Rundgang durch eine offene Station, wie die Aufnahme von Patient:innen in einer akuten psychischen Krise und die weitere Behandlung abläuft. Außerdem konnten die Besucher:innen einen Blick in das (zu diesem Zeitpunkt freie) Krisenzimmer einer geschlossenen Station werfen.

13 Kilometer im Untergrund

In kleinen Gruppen konnten die Gäste auch in die unterirdischen Versorgungstunnel hinabsteigen, die die Häuser des ZfP Reichenau verbinden. Die Plätze waren so begehrt, dass das Team der Abteilung Bau & Technik nicht nur die drei geplanten Touren angeboten hat, sondern pausenlos Interessierte in den Untergrund mitgenommen hat. 

Diese bekamen allerlei Technisches und Baugeschichtliches zu hören. „Die Leute waren fasziniert“, berichtet Silke Wurst. „Wahrscheinlich, weil die Tunnel auch ein bisschen geheimnisvoll sind.“ Am Ende des Tages hatte das Team 13 Kilometer zurückgelegt und rund 100 Menschen einen Einblick gewährt.
 

Am Tag der offenen Tür des ZfP Reichenau gibt es Führungen durch ein unterirdisches Tunnelsystem.

Thomas Wurst von Bau & Technik erläutert den Gästen bei einer Führung durch die Tunnel Technisches und Baugeschichtliches.

Geschäftsführer Dr. Dieter Grupp hält am Tag der offenen Tür des ZfP Reichenau einen Vortrag.

ZfP-Geschäftsführer Dr. Dieter Grupp geht bei seinem Vortrag im Festsaal der Frage nach: "Was ist schon normal?"

Acht lachende Menschen, die Bauhelme tragen, freuen sich eine Führung durch die Versorgungstunnel des ZfP Reichenau.

Diese Besucherinnen und Besucher freuen sich auf die Führung durch die Tunnel unter dem ZfP Reichenau.

Besucherinnen und Besucher sammeln sich am Tag der offenen Tür des ZfP Reichenau, weil sie an einer Führung teilnehmen möchten.

Vor Haus 1 sammeln sich Besucherinnen und Besucher, die an einer der zahlreichen Führungen teilnehmen wollen.

Besucherinnen und Besucher nehmen an einer Führung teil. Im Hintergrund sind Infostände zu sehen.

Die Führungen starten bei einem zentralen Infopunkt. Von dort aus geht es übers Gelände und in die Häuser.

Maskentheater am Tag der offenen Tür des ZfP Reichenau: Vier verkleidete Menschen sammeln Müll ein.

Maskentheater auf dem ZfP-Gelände: Die als Müllmänner verkleidete Gruppe will bei ihrem Rundgang für Ordnung sorgen.

Überraschung beim Maskentheater: Eine Dame steigt aus einer blauen Mülltonne.

Doch in einer Tonne verbirgt sich eine Überraschung: Eine Dame kommt zum Vorschein.

Beim Tag der offenen Tür des ZfP Reichenau lauschen circa 70 Gäste einer Podiumsdiskussion.

Im Festsaal verfolgen rund 70 Zuschauerinnen und Zuschauer die Podiumsdiskussion zum Thema "Was ist schon normal?".

 

Das Podium beginnt mit einem Vortrag

Herzstück des Tags der offenen Tür war ein zweistündiges Podiumsgespräch im Festsaal. Bevor sie startete, ging ZfP-Geschäftsführer Dr. Dieter Grupp vor rund 70 Zuhörenden in einem unterhaltsamen wie spannenden Impulsvortrag der Frage nach: „Was ist schon normal?“ 

Unser Alltag sei durch Normen geprägt, veranschaulichte Grupp anhand von Beispielen wie Kleidergrößen. Dabei strebten Menschen immer auch danach, außergewöhnlich zu sein. Die Psychiatrie widme sich seit 150 Jahren der Frage, wann Abweichungen ein Krankheitswert zugeschrieben wird. 

Anders als in anderen medizinischen Disziplinen gebe es weder CT, MRT oder Röntgenbilder, um einen Befund zu erheben. „Das psychische Anderssein hat mit der Interaktion zu tun. Psychische Störungen sind soziale Störungen“, sagte er. Das habe immer Auswirkungen auf die Umgebung. Die historische Entwicklung der Psychiatrie führe zu einer fürsorgenden und ausgrenzenden Pflege in Großkrankenhäusern hin zu Inklusion und einer Behandlung, bei der die sozialen Bezüge der Patient:innen erhalten bleiben.

Viele Kooperationen

Moderator Tobias Bücklein sprach mit Daniela Mier, Psychologie-Professorin an der Universität Konstanz über die Unterschiede zwischen Psychiatern und Psychologen sowie den Begriffen Störung und Erkrankung. Stefan Basel, Sozialdezernet am Landratsamt Konstanz, berichtete über die Kooperationen im Landkreis wie den Suchthilfeverbund und den Ausbildungsverbund im Bereich Pflege sowie Pflegegeld und Eingliederungshilfe. Das ZfP Reichenau sei auch ein wichtiger Kooperationspartner bei der Prävention, etwa beim Jugend- und Antistigma-Projekt „andersnormal“

Eine Genesungsbegleiterin stellte ihren Beruf vor, den es seit zwölf Jahren auch in Deutschland gibt. Die einjährige Ausbildung setzt voraus, dass man selbst eine psychische Krankheit hat oder hatte und in der Lage ist, die Krankheitsgeschichte zu reflektieren. Genesungsbegleiter:innen arbeiten auf Stationen. „Ich bin da. Ich bin diejenige, die am Anfang zuhört“, sagte sie. Sie arbeite auf Augen- und auf Herzenshöhe, begleite Patient:innen bei Visiten, Richtergesprächen und Angehörigenbesuchen.

Unterstützung beim Entzug

Kai Haberkorn erzählte von seinem Arbeitsalltag als frisch examinierte Pflegefachkraft auf einer Station in der Klinik für Suchtmedizin. Seine Aufgabe ist es, den Entzug zu begleiten und Patient:innen und deren Geschichte immer wertzuschätzen, auch wenn sie nicht therapieorientiert seien. „Das schönste für uns ist, wenn wir sie nie wieder sehen, weil sie keinen Rückfall haben“, sagte er. 

Dorothee Collet, Pflegedienstleitung an der Klinik für Suchtmedizin, berichtete von saisonalen Schwankungen. Die Klinik sei laufend gut ausgelastet, aber zu Weihnachten und Silvester sei auf der Akutaufnahmestation noch mehr los. Das liege an den sozialen Umständen. „Viele alkoholkranke Menschen sind alleine“, sagte sie. Genauso seien in heißen Sommern mehr Obdachlose in Behandlung. 

Zum Thema Stigmatisierung sagte die freie Journalistin Katy Cuko, dass die Krimi-Rate im Fernsehen extrem hoch sei. Gerade dort würden psychisch Kranke häufig stark stigmatisiert. Daher wünsche sie sich einen unaufgeregteren Umgang mit psychisch Erkrankten. Grupp machte deutlich, dass Angst unbegründet sei: „Psychisch Kranke sind nicht gewalttätiger als nicht psychisch Kranke.“